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Public Affairs Verband konstituiert sich und nimmt gleich einmal das geplante Lobbying-Gesetz ins Visier

Als Präsident des ÖPAV fungiert Feri Thierry, Geschäftsführer von Thierry Politikberatung: „Public Affairs sind geradezu ein Wesensmerkmal von parlamentarischen Demokratien.“

Mit 13. September wurde in Wien der Österreichische Public Affairs-Verband gegründet. Warum ist schnell erklärt? Weil die Branche der Interessenvertreter in Österreich bisher weder ausreichend konstituiert noch klar positioniert war. Der heimische Public Affairs Verband sieht sich als als parteipolitisch unabhängige Interessenvertretung für Public Affairs-Verantwortliche in Unternehmen, Verbänden und NGOs sowie Public Affairs Manager. Auch was die Gründerväter unter Public Affairs verstehen, ist schnell erklärt:
Public Affairs sind das langfristige Beziehungsmanagement von Unternehmen und NGOs zu Politik und Verwaltung, also quasi deren „Außenpolitik“; die Tätigkeit Lobbying ist ein Element davon und bildet den Informationsvermittlungs-, Argumentations- und Meinungsbildungsprozess in konkreten Fällen und zu konkreten politischen Entscheidungen. „In einem demokratischen System ist derartige Interessenvertretung unverzichtbar, ja, Public Affairs sind geradezu ein Wesensmerkmal von parlamentarischen Demokratien“, erläutert Feri Thierry, Geschäftsführer von Thierry Politikberatung und Präsident des ÖPAV. „Diese legitime und notwendige Form von gesellschaftlichem Engagement trägt zur Abschätzung der möglichen Folgen von politischen Entscheidungen bei. Public Affairs sind Knochenarbeit von Profis. Es geht um Überzeugungsarbeit nach korrekten Methoden, eine Beratungsleistung ähnlich der vergleichsweise unumstrittenen Steuer- oder Rechtsberatung.“ Für Veronika Haunold, Obfrau des NPO-Frauennetzwerks und Vorstandsmitglied des ÖPAV, haben Public Affairs auch zur Durchsetzung von gesellschaftspolitischen Anliegen eine wichtige Funktion: „Gerade in Österreich sind Public Affairs besonders wichtig, weil es neben den Sozialpartnern auch andere gesellschaftlich relevante Positionen gibt, die eine Öffentlichkeit brauchen.“ Haunold weiter: „Die Beratung politischer Entscheidungsträger/innen ist auch für NGOs ein entscheidender Teil ihrer Arbeit, um in wichtigen gesellschaftspolitischen Fragen einen breiten Konsens zu erzielen.“

Feri Thierry, Geschäftsführer von Thierry Politikberatung und Präsident des ÖPAV: „Public Affairs sind Knochenarbeit von Profis.“

Strenger Verhaltenskodex

Die Mitglieder des ÖPAV unterwerfen sich in ihrem Handeln strengen und klaren Regeln. Tragende Säule des neuen Verbands ist ein für die Mitglieder verbindlicher Verhaltenskodex. Dieser Kodex orientiert sich an etablierten europäischen Beispielen und geht über diese, ebenso wie über die entsprechenden Vorschriften im Entwurf des Lobbying-Gesetzes, hinaus. „Insbesondere die Unvereinbarkeit ist bei uns im ÖPAV strenger geregelt“, erklärt Dr. Ronald Pichler, External Affairs Director bei GlaxoSmithKline Pharma, Generalsekretär des FOPI und als Vorstandsmitglied im ÖPAV für Qualitätstandards und Ethikfragen zuständig. „ÖPAV-Mitglieder dürfen keinerlei Funktion innerhalb der Staatsgewalten Legislative oder Exekutive innehaben, und zwar weder auf Bundes-, Landes- oder Gemeindeebene noch in den Institutionen der Europäischen Union.“

Auch im Bereich der Entgeltvereinbarung für Public Affairs-Beratung unterwerfen sich die ÖPAV-Mitglieder strengen Regeln und verpflichten sich, kein unangemessenes Entgelt zu vereinbaren. Ausschließlich oder überwiegend erfolgsabhängige Entgeltvereinbarungen werden von ÖPAV-Mitgliedern laut Verhaltenskodex weder angeboten noch angenommen. „Die ethischen Grundsätze des ÖPAV sind Voraussetzung für eine professionelle und wirksame Interessenvertretung und für eine Qualifizierung der Branche“, ist Pichler überzeugt. „Wir stärken damit die Glaubwürdigkeit des gesamten Berufsstandes.“ Die Einhaltung der im Kodex verankerten Grundsätze und Verhaltensweisen wird der ÖPAV im Wege der Selbstregulierung durch ein klares Verfahren bei gemeldeten Verstößen sicher stellen. Eine Kommission mit externer Beteiligung durch einen Richter wird dabei eine wichtige Rolle spielen. „Die Objektivität dieses Gremiums wird durch ein externes unabhängiges Mitglied gewährleistet“, freut sich Pichler.

Hochkarätiger wissenschaftlicher Beirat

Ein wissenschaftlicher Beirat fördert und untermauert die Qualität der Arbeit des ÖPAV: DDr. Julia Wippersberg, Stellvertretende Studienprogrammleiterin des Instituts für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft, Univ.-Prof. Dr. Fritz Plasser, Dekan der Fakultät für Politikwissenschaft und Soziologie der Universität Innsbruck, und DDr. Hubert Sickinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Konfliktforschung sowie Vizepräsident des Beirats von Transparency International – Austrian Chapter, werden den Verband als externe Experten beraten und eine kontinuierliche professionelle Weiterentwicklung auch aus wissenschaftlicher Perspektive gewährleisten.

Eine der wichtigsten Aufgaben des ÖPAV ist die – gerade in Österreich dringend notwendige – Aufklärung über Public Affairs als wichtige Schnittstellen- und Vermittlungsfunktion zwischen Wirtschaft, Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft. Konkret ist in diesem Zusammenhang unter anderem die Beauftragung der ersten umfassenden Public Affairs-Marktstudie in Österreich geplant.

Weiters wird der ÖPAV die Professionalisierung der Branche vorantreiben. Dazu gehören zuallererst die Definition und Durchsetzung von Qualitäts- und Verhaltensstandards ebenso wie ein professioneller Wissenstransfer und die Entwicklung von Weiterbildungsangeboten.

Wie jede Standesvertretung wird sich der ÖPAV künftig schließlich auch um die Anliegen der in ihm vertretenen Berufsgruppe der Public Affairs-Manager/innen kümmern. Der ÖPAV ist somit erster institutioneller Ansprechpartner für Politik und Verwaltung in Fragen der rechtlichen Rahmenbedingungen für Public Affairs Manager/innen.

Das Lobbying-Gesetz im Visier

Dem aktuellen Entwurf zum Lobbying-Gesetz und der Idee eines Lobbying-Registers steht der ÖPAV grundsätzlich positiv gegenüber. Aber: „Lobbying und Interessenvertretung müssen rechtlich einheitlich, ausgehend von einem an der Funktion orientierten Verständnis behandelt werden, also unabhängig von Lobbyingthema und Rechtsform“, fordert Thierry als ÖPAV-Präsident. „Es darf keine Unterscheidung zwischen ´guten´ und ´bösen´ Lobbyisten geben. Ob Agenturen oder NGOs, Rechtsanwälte oder Kammern – unter dem Motto `Gleiches Recht für alle´ müssen alle einheitlich erfasst werden.“ Nur dann wird das geplante Lobbying-Register eine brauchbare Landkarte für Interessenvertretung in Österreich sein und zu echter Transparenz beitragen.

Konkret fordert der ÖPAV zudem eine Verbindung der Eintragung in das Lobbying-Register mit Positv-Maßnahmen wie beispielsweise einer Zutrittsberechtigung zum Parlament durch einen Ausweis für registrierte Interessenvertreter. „Dieser Vorschlag der Kennzeichnung von Interessenvertreter/innen dient auch der vielfach geforderten Transparenz bei der Ausübung unserer Profession“, erläutert Thierry. Auch die Einbeziehung von eingetragenen Interessenvertretern in relevante Gesetzgebungsprozesse etwa durch offene Diskussionsveranstaltungen – wie diese auch im deutschen Bundestag oder den EU-Institutionen durchgeführt werden – wäre eine sinnvolle Maßnahme.

Zur tatsächlichen Verbesserung der politischen Kultur in Österreich wird es allerdings mehr brauchen als den nun vorliegenden Gesetzesentwurf. „Das Lobbying-Gesetz kann nur ein Teil eines Bündels von Maßnahmen sein, um die politischen Entscheidungsprozesse in Österreich transparenter und besser zu machen“, ist ÖPAV-Präsident Thierry überzeugt. „Parallel dazu braucht es eine Neugestaltung der Bestimmungen zu Parteienfinanzierung, Korruptionsvermeidung und Unvereinbarkeiten sowie eine Stärkung partizipativer Elemente in unserer Demokratie.“

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