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PR-Ethik-Rat sieht OGH-Urteil zum Thema Gefälligkeitsberichterstattung kritisch

Der PR-Ethik-Rat glaubt, dass das jüngste OGH-Urteil Koppelungsgeschäften und damit Lesertäuschung Vorschub leistet und die zentrale Korrektivrolle der Medien unterminiert.

Das am 26. September 2016 gefällte und kürzlich publizierte Urteil des Obersten Gerichtshofs zum Thema Gefälligkeitsberichterstattung (Geschäftszahl 4Ob60/16a) wird vom Österreichischen PR-Ethik-Rat aus mehreren Gründen als sehr kritisch gesehen.

Potenziell negative Wirkung auf Kommunikationsbranche

Das Urteil – so Gabriele Faber-Wiener, Expertin in Unternehmensethik und Vorsitzende des PR-Ethik-Rats – öffnet Tür und Tor für Koppelungsgeschäfte und damit für die Täuschung von Lesern. Es basiert auf der Annahme, dass für redaktionelle „Gefälligkeitsartikel“ kein Entgelt bezahlt werde und sie daher nicht zu kennzeichnen seien. Der PR-Ethik-Rat weiß aber aus seiner mehr als achtjährigen Praxis, dass dies oft nicht der Fall ist, d.h. dass oft sehr wohl Geld fließt, und zwar meist in Form von intransparenten und damit schwer nachweisbaren Koppelungsgeschäften. Der Oberste Gerichtshof urteilt hier schlicht realitätsfern.

Vage Grundlage und Legitimierung einer unethischen Praxis

Die Feststellung, dass Leser heute keinen Zweifel mehr hätten, dass redaktionelle Artikel subjektiv gefärbt seien, ist zu hinterfragen: Es wird nicht offengelegt, woher diese Aussage stammt und auf welchen Untersuchungen sie beruht. Somit hat sie nach Ansicht des PR-Ethik-Rats den Status einer Behauptung, nicht den einer gesicherten Grundlage, auf der ein Höchstgericht entscheiden könnte.

Selbst wenn diese Feststellung durch repräsentative Studien belegt werden würde, ist der Rückschluss nicht zulässig, dass damit Gefälligkeitsberichterstattung legitimiert ist. D.h. nur weil etwas Praxis ist, bedeutet das nicht, dass es auch normativ richtig ist. Die vom OGH festgestellte „persönliche Meinung“ der Artikelverfasser wird mit gekaufter Berichterstattung verwechselt.

Schwächung der Medien und Content Marketing statt Journalismus

Dieses Urteil unterminiert den Status von Medien als kritischem Kor- rektiv einer demokratischen Gesellschaft – und damit die Existenzberechtigung von Medien. Das Urteil hebelt die Gatekeeper-Rolle des Journalismus aus und schwächt damit die Medien und ihre journalistischen Grundprinzipien, die wir gerade angesichts der Entwicklung in sozialen Medien mehr denn je brauchen.

Immer mehr Auftraggeber umgehen (kritische) Journalisten als Ansprechpartner und wenden sich gleich an die Kooperations-Abteilung von Medien – das OGH-Urteil birgt die Gefahr, diesen bedenklichen Trend noch mehr zu verstärken.

Kein Dienst an der PR und kein Anspruch auf Transparenz mehr

Seriöse PR braucht unabhängigen Journalismus als Gegenüber und keine intransparenten Koppelungsgeschäfte. Beide Disziplinen – Journalismus und PR – werden nicht umsonst als Glaubwürdigkeits-Gatekeeper bezeichnet: Journalisten nach außen und PR- Leute nach innen, in die Unternehmen und Organisationen hinein.

In einer Demokratie sind Transparenz und damit verbunden der Schutz von Lesern vor manipulierten Informationen zentrale Werte – das OGH- Urteil stellt nicht nur diesen Anspruch auf klar erkennbare, unabhängige Informationen in Frage, sondern öffnet die Tür für ein freies und sanktionsloses Verknüpfen von Redaktion und Werbung – dies ist mit Sicherheit nicht im Sinne der Lesern. Abschließendes Resümee von Gabriele Faber-Wiener, Expertin in Unternehmensethik und Vorsitzende des PR-Ethik-Rats: „Es ist sehr bedenklich, wenn ausgerechnet der OGH, der die Interessen Österreichs im Mittelpunkt haben sollte, ein Urteil fällt, das die zentrale Korrektivrolle der Medien unterminiert und damit demokratiepolitisch bedenklich ist. Nach der bisherigen Judikatur wurde unbezahlte Werbung in Gestalt redaktioneller Berichterstattung zutreffend als unzulässige Täuschung des Publikums beurteilt. Das Abgehen von dieser Judikaturlinie ist ein politisch falsches Statement und ein Schlag ins Gesicht jeder Medienethik.“ Faber-Wiener weiter: „Gerade angesichts solcher Urteile ist die Selbstkontrolle umso wichtiger – wir müssen bedenkliche Entwicklungen aufzeigen, benennen und verhindern – und genau das tut der PR- Ethik-Rat. “

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Gabriele Faber-Wiener, Vorsitzende des PR-Ethik-Rats und Brigitte Mühlbauer, stellvertretende Vorsitzende des PR-Ethik-Rats, finden es „sehr bedenklich, wenn ausgerechnet der OGH, der die Interessen 
Österreichs im Mittelpunkt haben sollte, ein Urteil fällt, das die zentrale Korrektivrolle der Medien unterminiert und damit demokratiepolitisch bedenklich ist.“

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