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Österreichische Medientage rufen die neue Lust auf Medien aus

Chefredakteure werden zu „Dirigenten der Multimediawelt“, Medienhäuser zu Technologieunternehmen. Chatbots sind die Zukunft. Manch einer fordert eine Werbeabgabe für Google und Facebook. Verlagshäuser generieren zusätzliche Umsatzquellen. Creator Communities werden zu neuen TV- Machern. Und Nischenprodukte positionieren sich als Erfolgsmodelle.

Die 23. Österreichischen Medientage am 20. und 21. September machten ihrem Motto „Lust auf Medien“ alle Ehre und punkteten an zwei Tagen mit spannenden Key Notes und brisanten Diskussionsrunden. Hans-Jörgen Manstein, Gründer der Medientage und Aufsichtsratsvorsitzender des Manstein Verlags, übte in seiner Eröffnungsrede Kritik an der Inseratenpolitik öffentlicher Stellen, die die Medien in strukturelle Abhängigkeit bringt und hielt ein leidenschaftliches Plädoyer für eine Renaissance der Qualität.

Die Chefredakteurin der „WirtschaftsWoche“, Miriam Meckel, verwies in ihrer Keynote darauf, dass vernünftige Diskussionen in sozialen Medien kaum mehr möglich seien und die Radikalisierung erschreckend schnell zunimmt. „Das ist tödlich für die demokratische Auseinandersetzung“, so Meckel. Die User halten sich nur noch in ihrer eigenen Filterbubble auf und verstärken damit die eigenen Meinungen.

Verlagsgründer Hans-Jörgen Manstein hielt die Eröffnungsrede bei den Medientagen und übte Kritik an der Inseratenpolitik öffentlicher Stellen.

Die Zukunft von Print

Print sei nicht tot und wird weiterhin seine Daseinsberechtigung haben. Da herrschte Einigkeit bei den Top-Medien-Experten, die im auf Meckels Keynote folgenden Panel diskutieren. Doch es braucht neue Geschäftsmodelle, um der sinkenden Reichweite entgegenzuwirken, meint Mathias Müller von Blumencron, Chefredakteur „Digitale Medien“ bei der FAZ. Man sollte innerhalb der Verlage eine „Start-up-Kultur“ etablieren und neue Ideen gegeneinander antreten lassen, um Innovationen zu fördern. Oliver Eckert, Geschäftsführer des deutschen digitalen Publishers BurdaForward meinte: „Wer konkurrenzfähig sein will, muss längst radikal digitalisiert haben“. Aus seiner Sicht sollten weit mehr Medienunternehmen in Europa den Weg gehen, Print und Digital voneinander zu trennen – nur so könne man die Qualität wirklich sichern.

Hielt eine spannende Keynote: Miriam Merkel von der „Wirtschaftswoche“.

Neue Formen der Umsatzgenerierung

Doch woher kommt das Cash? Bei dieser Diskussionsrunde stand mehrheitlich der Konsument im Mittelpunkt. Man orientiert sich verstärkt am Kundennutzen und bietet zusätzliche Tools für den Kunden an, um neue Umsätze zu generieren. So spielen etwa für Veit Dengler, CEO der NZZ Mediengruppe, Werbeeinnahmen künftig eine geringere Rolle. Die wichtigsten Kunden sind die Leser und Nutzer, da biete man auch neuerdings Reisen, Konferenzen und Tagungen an, um den Umsatz anzukurbeln. Dengler versprach aber auch, jetzt und in der Zukunft keine Autos und Bücher zu verkaufen.

Der Ruf nach der Besteuerung von Google & Co

Thomas Drozda, Bundesminister für Kunst, Kultur, Verfassung und Medien forderte im Panel „Medienpolitik von morgen“ erneut eine Werbeabgabe für Google und Facebook. Der Generaldirektor des ORF, Alexander Wrabetz, stellte sich diesbezüglich die Frage, ob hier nicht eine fünfte Macht im Staat entsteht. Das Thema der Internetgiganten floß auch mit in die Diskussion um die Presseförderung ein, die Drozda als „anachronistisch“ bezeichnet. Es braucht neben einer gewichtigen Säule der Produktionsförderung von Inhalten, die sich nach der Anzahl der angestellten Journalisten richten sollte, eine Digitalisierungs- und Innovationsförderung sowie als dritte Säule die Förderung von Aus- und Weiterbildung.

Die globale Revolte des TV

In der Keynote des zweiten Medientages skizzierte Yaser Bishr, Executive Director of Strategy and Development des Al Jazeera Media Networks am Beispiel von AJ+, wie sich die globale Revolte des TV gestaltet und welche Herausforderungen es „im Zeitalter von LOL, WTF und Emojis“ zu bewältigen gebe. „Viele denken, dass Millenials kein Interesse an Nachrichten haben, aber das ist absolut falsch“, so Bishr. Medienunternehmen müssten sich zunächst fragen, warum sie tun, was sie tun. Bishr erwähnt fünf Schlüsselwörter „empower“ (ermächtigen), „defy“ (sich widersetzen), „engage“ (sich beteiligen), „experience“ (erfahren) und „inspire“ (inspirieren). Weiters betonte Bishr die Wichtigkeit der Vielfalt der Nationalitäten innerhalb der Redaktion, diese müsse man wahren, denn Veränderung beginnt immer zuerst intern bei sich selbst.

Interessante Keynote am zweiten Medientag von Yaser Bishr, Executive Director of Strategy and Development des Al Jazeera Media Networks

Klassisches TV, Multimediachannels und die Digitalisierung als Chance

Das digitale Zeitalter, ob für private oder öffentliche Unternehmen, biete enorm viele Chancen, meint Roger de Weck, Generaldirektor der schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft, in seiner Rede. Allerdings sollte man sich einer der wichtigsten Strategien bedienen: Allianzen zu suchen, etwa mit den Vermarktungsplattformen: Ein Alleingang gegen die Global Players sei nicht möglich, „man muss sich zusammentun“. Und im Redaktionsbereich müsse die Mischung genauso stimmen wie die Qualität.

Die Teilnehmer des TV-Panels „TV over all“ sehen in den Streamingdiensten wie Netflix und Amazon Prime keine große Konkurrenz. Katja Hofem, COO der ProSiebenSat.1 TV Deutschland GmbH ist davon überzeugt, dass Netflix & Co als Nischen bei Special-Interest-Serien sehr erfolgreich sind und sich dafür im klassischen TV nicht so etablieren könnten. Ein Massenprogramm sei Video-on-Demand jedenfalls nicht.

YouTube will indessen keine eigenen Inhalte einbringen, sondern konzentriere sich auf die Creator Community. „Auf der ganzen Welt investieren wir in die Macher, bieten Tools, Technologien und Bildungsressourcen an“, erklärte Ben McOwen Wilson, der Director of Content Partnerships Europe in seinem Impulsreferat. In London, Berlin, Paris und anderen Städten hat YouTube eigene Studio-Spaces eingerichtet, in denen YouTuber sich untereinander und mit Experten austauschen können.

Ben McOwen Wilson, der Director of Content Partnerships Europe hielt im Rahmen der Österreichischen Medientage ein Impulsreferat. Alle Fotos (c) Medientage/Brunnbauer

Programmatic Advertising – Die Zukunft der Werbung?!

Alex Stil von der GroupM Connect zählte in seinem Impulsreferat die Trends und Herausforderungen im Programmatic Advertising auf. Er nannte Transparenz als einen essentiellen Punkt, der vor allem eines beinhalten soll: Die Beantwortung der Frage der Monetarisierung. Wer macht mit dem automatisierten Einkauf von Werbung wirklich Geld? Es sei notwendig, die Technologie hinter der automatisierten Welt zu verstehen. Dabei fällt der Begriff der „walled gardens“ – ein Großteil der digitalen Ausgaben landen bei Internetriesen wie Google und Facebook. Die Problematik liegt auf der Hand: Nicht alle haben Zugriff auf jegliches Inventar, das programmatisch zur Verfügung gestellt wird.

Beim nachfolgenden Panel sind sich die Teilnehmer einig: Bei Programmatic geht es darum, den Kunden dort zu erreichen, wo er auch unterwegs ist, egal ob mobile oder am Desktop. Torben Heimann, Managing Director DACH von Improve Digital: „Wir sollten den Kunden dort abholen, wo er sich auch wirklich mit dem Produkt auseinandersetzt.“ Schließlich ist das eines der viel zitierten Qualitätskriterien von programmatisch gebuchter Werbung. Heimann ist überzeugt, dass „wir in nicht allzu ferner Zeit eine 100-prozentige Vermarktung von Werbung auf programmatische Weise sehen werden“.

 

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